WIND RIVER: GESELLSCHAFTSKRITIK IM (NEO-)WESTERN-MANTEL

Der 2017 erschienene Wind River stellt nach Sicario und Hell or High Water den Abschluss von Taylor Sheridans sogenannten "Frontier-Trilogie" dar. Sheridan schrieb zwar wieder das Drehbuch, doch führte zum ersten Mal auch Regie. Die Erwartungen waren nach den beiden hochgelobten Filmen der "Frontier Trilogie" selbstverständlich hoch. Dennoch enttäuscht Wind River nicht. Im Gegenteil... Der Film begeisterte mich ein weiteres Mal mit Sheridans Geschick für schonungslose Neo-Western.

 

Nachdem der Fährtenleser und Jäger Cory Lambert (Jeremy Renner) die Leiche der 18-Jährigen Native American Natalie (Kelsey Asbille) findet,  bietet er der noch unerfahrenen aber ehrgeizigen FBI-Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen) seine Hilfe an um diesen Fall zu lösen. Während Cory durch seinen Beitrag ein altes Trauma zu überwinden versucht, wird Jane immer mehr mit der grausamen Realität in Amerika konfrontiert.

Mit der Story verhält es sich dabei wie mit einer Lawine. Sie baut sich nur langsam auf, doch dann braucht es nur eine falsche Bewegung und sie bricht über dich hinein wie eine Dampfwalze.

 

Als Setting dient das verschneite Indianer Reservat Wind River in Wyoming, wobei es nicht nur eine schöne Kulisse für einprägsame Bilder bietet, sondern sowohl als wichtiges Handlungselement, als auch als Leitmotiv im World-building funktioniert. So kalt wie die Minustemperaturen sind nämlich auch die Herzen der Menschen, die dort Leben. Sei es durch den Verlust eines Familienangehörigen oder durch die Einsamkeit in der undankbaren Wildnis. Jeder hat hier sein Päckchen zu tragen und nicht selten führt dies dazu, dass die Grenzen der Moral überschritten werden.

 

Somit bietet Wind River nicht nur eine Studie der menschlichen Natur, sondern auch der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt.

Wer bereits Hell or High Water oder Sicario gesehen hat, weiß, dass Taylor Sheridan zwar sehr ruhige aber dafür wahnsinnig intensive Geschichten erzählen kann. Er braucht einfach nicht viele Höhepunkte, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Seine große Stärke liegt dabei aber ein weiteres Mal im Finale, denn auch hier hat mich der "Showdown" förmlich umgehauen.

"Showdown" ist auch das richtige Stichwort, denn auch der letzte Teil der "Frontier-Trilogie" ist wieder ein harter Neo-Western mit all seinen Motiven und einer aussagekräftigen und betrübten Idee dahinter. Denn es ist leider Realität, dass Native Americans nicht in den Kriminal-/Vermissten-Statistiken gelistet werden. Dies führt dazu, dass die Aufklärungsrate der Verbrechen an ihnen erschreckend gering ist. Und GENAU HIER setzt Wind River an, ohne dem Zuschauer seine Gesellschaftskritik zu zwanghaft aufzudrücken. Sie bleibt während des eigentlichen Films unausgesprochen und doch präsent. So wie die Verbrechen an den Natives auch.

 

Jeremy Renner und Elizabeth Olsen bringen inzwischen schon viel Erfahrung mit und beweisen dies auch. Während sie im Staraufgebot der MCU-Filme als Hawkeye und Scarlet Witch leider etwas untergehen, können sie ihr Talent in Wind River nun voll ausspielen. Mir hat aber besonders Gil Birmingham als zynischer Indianer-Vater gefallen und auch Althea Sam hat selbst in ihrer kurzen Screen-Time großes Können bewiesen.

 

Die technische Umsetzung kann sich ebenfalls durchaus sehen lassen. Die Kamera fängt die trostlosen und zugleich majestätischen Weiten von Wyoming  wunderschön ein. Sie ist dabei stets dynamisch aber niemals hektisch. Auch die musikalische Untermalung von Nick Cave und Warren Ellis beweist sich als Stimmig und erzeugt eine alt-bekannte Western-Atmosphäre mit harmonischen Klängen. Abgesehen von gelegentlichen leichten Chorgesängen, die fast schon an ein ASMR erinnern,  sticht sie nicht wirklich heraus. Das ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Im Vergleich zum brachialen Soundtrack von Sicario, bleibt der Soundtrack hier aber ein wenig zurück.

Allgemein sticht die Inszenierung hier weniger heraus als in Sicario oder Hell or High Water, was vermutlich Sheridans fehlenden Erfahrung als Regisseur zuzuschreiben ist. Dennoch ist die Inszenierung durchaus gelungen und vor allem eines: hart. Gerade im Showdown fühlt sich das Geschehen wirklich kompromisslos an und jeder, im Film abgegebene, Schuss tat auch mir weh.

 

Alles in einem ist Wind River ein intensiver und fesselnder Neo-Western-Krimi-Mix, der bis zum letzten drittel zwar nicht sonderlich Ereignisreich ist, aber trotzdem keine Sekunde zu lang geworden ist und mich bis zum Schluss an den Sessel gebunden hat. Fans von Filmen wie Sicario, Hell or High Water, No Country for old men oder Sieben, finden hier mit Sicherheit einen weiteren Schatz.

 

Bewertung: 9/10


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