ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD

Quentin Tarantinos offiziell neunter und eventuell vorletzter Film hat bereits im Vorfeld große Wellen geschlagen. Grund für die Furore sind hauptsächlich zwei Namen, die in diesem Film eine Rolle spielen: CHARLES MANSON und SHARON TATE. Doch auch die Darstellung von Bruce Lee und Roman Polanski, sowie die Trennung von der Weinstein Company, sorgten im Vorfeld für viel Gesprächsstoff.

Nichtsdestotrotz schlug Tarantinos 161 Minütige Hollywood-Hommage an den Kinokassen ein wie ein Brett, während er die Meinungen seiner Zuschauer teilt, denn ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD ist zugleich sein untypischster, sowie auch sein vertrautester Film.

 

Die Handlung siedelt sich im Hollywood der 60er und 70er Jahre an. Dabei fokussiert sie sich auf RICK DALTON  (LEONARDO DICAPRIO), ein ehemaliger Westerstdarsteller aus den 50ern, der nun befürchtet, dass er den Sprung in das Neue Hollywood nicht besteht. Die gesamte Figur ist dabei eine Anlehnung an Steve McQueen, welcher in diesem Film mehrfach rezitiert wird. Neben ihm folgen wir seinem Stuntman und Freund Cliff Booth (BRAD PITT). Er ist sozusagen das Mädchen für alles und stolpert von einer denkwürdigen Situation in die nächste. Zwischendurch werden dann auch Szenen von Sharon Tate (MARGOT ROBBIE) eingespielt. Sie bewohnt das Haus neben Rick, doch ist deutlich weniger prägnant im Film verankert, als man es vielleicht erwarten würde.

Natürlich laufen die Fäden dieser drei Personen im Laufe der Handlung auf die ein oder andere Weise zusammen. Wobei Handlung eigentlich das falsche Wort ist. Es sind viel mehr Aneinanderreihungen verschiedenster, teilweise sogar ziemlich belangloser Szenen (was in keinster Weise negativ-wertend gemeint ist). Tarantino lag es am Herzen ein Gefühl dieser Zeit zu vermitteln und sich darin zu verlieren. Der Verzicht auf eine wirkliche Dramaturgie ist fast schon ein "Troll" am Zuschauer und am Produktionsstudio, denn er ist wohl der einzige Regisseur, der tun kann, was auch immer er möchte, und dafür das nötige Budget bekommt. Exakt das ist es nämlich auch, was wir hier sehen. Es ist einfach nur Tarantino, der macht worauf er gerade Lust hat und den Spaß dabei merkt man jeder Faser des Films an. Alles wirkt locker und freundschaftlich. Ja man hat sogar das Gefühl, dass sich die Schauspieler und die Crew geradezu darüber freuen, mal Abseits der Konventionen abzudrehen und so kriegt man hier ein nostalgisches Gefühl des Hollywoods dieser Zeit vermittelt und verliert sich komplett in dieser Welt... Wen diese Welt aber nicht abholt, der könnte durch den fehlenden roten Faden ratlos zurückgelassen werden. Hierauf muss man sich tatsächlich einstellen und vor allem einlassen können.

Alles schön und gut aber was ist denn jetzt eigentlich mit der Aufregung um Sharon Tate? Ist sie berechtigt oder völlig an den Haaren herbeigezogen? Selbstverständlich darf nicht zu viel verraten werden, allerdings kann man sagen, dass die Manson-Family nicht unerlässlich für die Story ist. Wer mit den beiden Namen überhaupt nichts anfangen kann, sollte sich zumindest vorher einmal den Wikipedia-Artikel darüber durchlesen (oder den Film/das Buch Helter Skelter schauen/lesen), denn ähnlich wie auch bei Inglorious Basterds setzt Tarantino ein gewisses Grundwissen zum Verständnis einiger Szenen voraus. Doch ähnlich wie bei Inglorious Basterds liefert er auch keine historisch-akkurate Überlieferung ab, sondern dreht die Realität so, dass sie in seine Erzählung passt... Ob im positiven oder negativem muss jeder selber im Kino herausfinden.

Gleichzeitig sind die Hintergrundinformationen sehr gut recherchiert. Manson sucht in einer Szene beispielsweise den Musikproduzenten Terry Melcher, in dessen Haus nun aber Polanski und Tate eingezogen sind. Daraus ergibt sich ein kleines Detail, das am Großteil des Publikums vorbeigehen könnte, aber ein perfektes Beispiel für die Detailversessenheit des Films ist. Es entspricht tatsächlich der Wahrheit, dass Manson auf der Suche nach Terry Melcher einen Blick auf dessen Nachmieterin Sharon Tate erhaschen konnte. Für solche Details lohnt es sich also besonders, wenn man sich zuvor mit der Hintergrundgeschichte befasst hat.

 

In Bezug auf Rick und Cliff erzählt OUATIH aber eine Geschichte über Freundschaft, die er ziemlich authentisch vermittelt bekommt. Dabei stoßen alle beide auf einige Tarantino-typisch verrückte Figuren und verwickeln sich in ebenso verrückte Dialoge. Allerdings fallen die Dialoge hier weniger denkwürdig und deutlich banaler aus, als in den vorherigen Werken des Regisseurs. Dafür ist der Humor noch präsenter als sonst. Es ist eindeutig sein lustigster und zugleich Blut ärmster Film. Genau das hebt ihn auch von Django Unchained und Co ab.

Trotzdem erkennt man Quentin Tarantinos Handschrift aber zu 100 Prozent, denn er mixt hier wesentliche Elemente aus seinen vorherigen Filmen und führt sie hier zusammen. Das führt zwar zwangsläufig auch zu viel Selbst-Referenzierung, aber ist so herrlich ungezwungen, dass es einfach Spaß macht, ihm dabei zuzusehen wie er an sich an seinem Stil austobt und fast schon damit experimentiert, als würde er es zum ersten Mal machen.

 

Natürlich verbeugt er sich auch vor Hollywood. Das ist dann alles ein wenig verschönigt, allerdings trägt der Film nicht umsonst "Once Upon A Time" (Es war einmal) im Titel.

Es ist absolut unumgänglich über diesen Film zu sprechen, ohne dabei den Cast zu thematisieren. Wenn Tarantino ruft, kommt offenbar jeder A-List Hollywoodstar angerannt und so ist OUATIH von Vorne bis Hinten mit reinsten Hochkarätern ausgeschmückt. Neben BRAD PITT, LEONARDO DICAPRIO und MARGOT ROBBIE teilen sich auch noch AL PACHINO, DAMIAN LEWIS, BRUCE DERN, KURT RUSSEL, MICHAEL MADSEN, DAKOTA FANNING, LUKE PERRY, EMIL HIRSCH und viele weitere tolle Darsteller die Leinwand. Selbst Tim Roth hatte eine Rolle, die jedoch herausgeschnitten wurde, aber im zukünftigen Directors-Cut auf Netflix zu sehen sein soll.
Besonders Leonardo DiCaprio sticht ein weiteres Mal mit seiner schauspielerischen Leistung hervor. Rick Dalton ist so von Selbstzweifel und Unsicherheit geplagt, dass er sich sogar von der Meinung einer Kinderschauspielerin zu Tränen rühren lässt. Das ist natürlich alles überzogen, doch so glaubwürdig und humorvoll gespielt, ohne lächerlich zu werden, dass man vor dieser Leistung durchaus seinen Hut ziehen kann.
Brad Pitt ist wesentlich unspektakulärer, aber dafür ist er auch - Ich kann es einfach nicht anders sagen - die ultimative Coolness. Im Vergleich zu Inglorious Basterds ist es auch nicht überzogen-cool, sondern versprüht einfach eine ungezwungen coole Attitüde. Das alles, obwohl Cliff eigentlich ein armer Schlucker ist, der zwar Ricks Freund aber gleichzeitig auch quasi sein Bediensteter ist.
Gerade bei zwei so Weltklasse-Schauspielern, die ungefähr gleich viel Screen time bekommen, ist es nicht unüblich, dass man im Schauspiel so etwas wie einen Konkurrenz-Kampf verspürt. Hier ist es gar nicht so. Man kauft es den beiden jede Sekunde ab, dass sie einfach zwei Freunde sind, die zusammen Spaß haben und total ungezwungen miteinander interagieren und genau daraus profitiert die Chemie zwischen ihnen und vor allem ihr Schauspiel. Es verzichtet fast komplett auf große Gefühlsausbrüche, die in Tränengewitter enden, so wie man es von den letzten Oscar-Anwärtern kennt und dennoch würde ich allen beiden die Chance auf einen Oscar durchaus zusprechen.
Die anderen Schauspieler dürfen natürlich auch nicht gänzlich unerwähnt bleiben, denn jeder verkörpert seine Figur - egal wie schrullig sie auch sein mag - überaus glaubwürdig. Mike Moh spielt den Mann mit der Todeskralle so, als würde man in ein vorlautes Spiegelbild von Bruce Lee höchstpersönlich blicken und Margot Robbie passt als Besetzung für Sharon Tate ebenfalls wie die Faust aufs Auge. Leider bekommen sie alle aber gefühlt weniger Zeit als die vielen Nahaufnahmen von nackten Füßen in diesem Film.
Ich rate bei Tarantino-Filmen auch grundsätzlich immer zur englischen Version, da es einfach unmöglich ist seine Dialoge genau so zu übersetzen. Es gehen zwangsläufig feine Nuancen in der Sprache verloren, die durch bestimmte Ausdrücke in den Dialogen entstehen. Dadurch wirken einige Momente im Original einfach noch ein Stück besser als im Deutschen. Damit würde ich der Synchronisation allerdings auch unrecht tun, denn sie holt wirklich das Beste aus dem heraus, was ihnen möglich ist. Besonders Gerrit Schmidt-Foß, der ein weiteres Mal Leonardo DiCaprio spricht, liefert wieder eine erstaunliche Leistung ab.

Die Stimmen sind aber nicht gerade das erste, was einem Auffällt, sondern eher, dass der Film wahnsinnig gut aussieht. Die Kulissen zeigen auch sofort weshalb dies der bisher teuerste Tarantino-Film ist. Liebevoll gestaltete Sets statt Green Screen Kulissen lassen den Zuschauer in die Welt des damaligen Hollywoods eintauchen und werden dabei äußerst passend von der Kamera und der Musik begleitet. Das ist kein Wunder, denn Director of Photography ist der dreifache Oscargewinner Robert Richardson, welcher schon seit Kill Bill Vol.I mit Tarantino zusammenarbeitet. Die Kamera und die Sets gehen stets Hand in Hand, wodurch es zu schönen Kamerafahrten kommt, die zu den verschieden Schauplätzen führen.

Sollten die Schauplätze mal nicht durch eine Kamerafahrt über Grundstück-Zäune hinaus erfolgen, dann durch eine Musik untermalte Autofahrt. Wer Tarantino kennt, der weiß auch, dass ihn wieder ein stimmiger Soundtrack erwartet. Besonders die 60er und 70er Jahre sind musikalisch immer wieder in den anderen Werken des Kultregisseurs vertreten. Hier ist es natürlich besonders dankbar, da jeder weitere Song dazu beiträgt, dass man immer Tiefer in diese Epoche eintaucht. Ich muss allerdings zugeben, dass der Soundtrack im Vergleich zu z. B. "K-Billy's Supersound of the 70's" aus Reservoir Dogs nicht ganz mithalten kann. Die Lieder fügen sich einfach nicht ganz so sehr in die Handlung mit ein, stattdessen hört man während der Autofahrten Ausschnitte eines Hits nach dem anderen. Dazwischen gibt es dann aber auch wieder perfekt abgestimmte Spielereien, in denen beispielsweise spannende Musik aus dem Fernseher das Geschehen auf der Leinwand untermalt.


Genauso wie die Kulissen sind auch die Kostüme ein Augenschmaus. Zum einen bereichern sie die hier gezeigten Filmsets an Authentizität, zum anderen fangen sie die Atmosphäre dieser Zeit perfekt ein. Ähnlich wie der gesamte Film sind die Kostüme dabei mal skurril und überspitzt, mal authentisch und eigentlich immer Detailverliebt. Jeder Charakter hat seinen eigenen Stil, welcher ihn widerspiegelt und selbst wenn man mit dem Rest des Films nichts anfangen kann, kann man sich einfach zurücklehnen und die Sets, das Make Up und die Kostüme genießen, während man mit seinem Bein zum Rhythmus von Deep Purple und Co. mit wippt.

So ganz abschließend lässt sich Once Upon A Time In Hollywood eigentlich nur schwer bewerten. Er ist viel mehr ein Gefühl, als eine Story. Es ist mehr eine Verbeugung, als eine kritische Auseinandersetzung mit Hollywood. Es ist ein Mix aus verschiedensten Tarantino-Stilmitteln, ohne dabei dasselbe imposante Spektakel zu liefern und es ist gut möglich, dass es den ein oder anderen etwas enttäuscht im Saal zurücklassen könne.
Genauso wie alle anderen seiner bisherigen Filme, wuchs aber auch der hier durch seine gesamte Atmosphäre und Detailverliebtheit mit der Zeit in meinem Herzen. Er wuchs und wuchs schon unmittelbar nach dem Kinobesuch, sodass ich am nächsten Tag wieder Lust verspürt habe ihn nochmal zu schauen. Diese Anziehungskraft hatte ich dieses Jahr nur bei Toy Story 4 (so verrückt es auch sein mag Toy Story und Tarantino in einem Atemzug zu nennen). Bei wem diese Anziehungskraft nicht wirkt, wird sich über die Laufzeit vielleicht sogar Langeweile einstellen, alle anderen werden aber wohl (wie ich) eine verdammt gute Zeit im Kino haben. So oder so ist es schön, dass Filme wie diese tatsächlich noch so ein Budget bekommen können und an den Kinokassen einschlagen. Allein das sollte man Tarantino und alle Beteiligten wirklich zu Gute heißen.

 

 

Bewertung: 8/10
Lauflänge: 161 Min.

FSK: 16

Start: 15.08.2019 (Deutschland)

 

 

Quellen: https://www.imdb.com/title/tt7131622/?ref_=ttmi_tt

https://www.synchronkartei.de/sprecher/596/2

 

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